Seite 5 von 7



Kapitänsbilder und wilde Schlachten auf hoher See. Von Jochen Zwikirsch SAD London

- Portraitmalerei, Landschaften, die Darstellung von Geschichte, Industrie, Mensch und Natur: klare Sache. Aber maritime Kunst - was ist das eigentlich? - "Wohl ein wenig von allem", versucht der Brite Keith Shackleton aus der Nebelbank zu kommen. Für den Maler und Altpräsidenten der "Royal Society of Marine Artists" (RSMA) ist "die See mehr als Schiffe und Häfen, Schiffe sind mehr als Windjammer und Ozeanriesen."

Die Rede ist vom "faszinierendsten Komplex der Schöpfung, so weit wie die Sieben Meere selbst". Von "einem Erzählen von der See", wie der Hamburger Peter Hagenah vom "Forum der deutschen Marinemaler" dem Kollegen griffig assistiert. Solange sich der Mensch auf die Ozeane wagt, solange stellt er sie auch schon bildlich dar. "Seegehende" Künstlerzirkel dagegen sind erstaunlicherweise meist jüngeren oder jüngsten Datums. Das deutsche Forum zum Beispiel, "ein loser Zusammenschluß von augenblicklich 15 Profis und Halbprofis", ist noch kein halbes Jahr alt. Und die RSMA, "unser großes Vorbild", mit immerhin 42 Vollmitgliedern und gut 400 aktiven Amateuren, gibt es trotz Britannias sprichwörtlichem Salzwasserblut auch erst seit 1939. Die eiden Holländer waren die ersten, die eine breite Öffentlichkeit an Land dabei zuschauen ließen, was draußen auf dem Meer geschah - von der ruhmreichen Seeschlacht bis zum knochenbrechenden Alltag der Fischer. "Nie zuvor und nie danach", so zollte der frühere RSMA-Präsident David Cobb fachmännischen Tribut, "sind Werke
von solch brillanter Qualität und Detailtreue entstanden." Und "das Detail muß stimmen", wie Marinemaler Colin Verity erkannt hat, "sonst geht man mitsamt seiner Leinwand baden" - denn nicht jeder kann sich so großzügige künstlerische Freiheiten leisten wie etwa der Allround- Meister William Turner (1775-1851), auf dessen Seestücken so manch abenteuerliches maritimes Unding herumschwimmt. Nur die "geringsten Preise", mit denen 1838 z. B. der Amsterdamer D.A.Teupken (. . . zeichnet alle Sorten von Schiffen, liefert von denselben alle Sorten von Listen, und bei welchen alle die Kopien beruhen von den Schiffen, die von ihm verfertiget sind) geworben hatte - die wurden von der Zeit davongetragen. Noch um 1907 war ein Werk des produktiven belgischen Spezialisten Henry Mohrmann um 50 Reichsmark feil. "In großer Zeit" etwa beschäftigte sich die Zunft stets gern mit Patriotischem, bei dem man den Kanonendonner fast zu hören glaubt - im Deutschland des 20. Jahrhunderts ließen zum Beispiel Stöwer und Bergen den Pulverqualm wabern, und mit der britischen Navy gingen noch beim Golfkrieg "Offizielle Kriegskünstler" in See. Andere hatten sich im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg als tatsächliche Schiffsmaler nützlich gemacht: Sie entwarfen Tarnanstriche und pinselten die Schiffe eigenhändig an. Als die klassisch schönen Ozeanriesen von den Weltmeeren verschwanden und den Zweckfahrzeugen unserer Tage wichen, machte ein großer Teil der Palettengilde j edoch nicht mit. -Wenn es bei all dem Individualismus überhaupt einen aktuellen Trend gibt", sagt G emäldekustos James Taylor vom "National Maritime Museum" in Greenwich, dann sei es die Rückbesinnung auf die längst vergangenen Tage der Windjammer und auf die eigentümliche Schönheit der See und der Küsten:

Hamburger Abendblatt Nr. 86 vom 13.04.1991, Seite 41

Original-Zeitungsseite als PDF ansehen

zurück 1 2 3 4 5 6 7 nächste